Seit mehr als 20 Jahren steht Jürg Soldan in seiner Freizeit hinter Ständen
Eine Pfanne, etwas Kohle, rohe Nüsse und unters Volk damit - denkt sich der Laie. Ganz so einfach ist das Marronibraten nicht. Der Horgner Jürg Soldan frönt seinem Hobby seit zwei Jahrzehnten. Und hat viel Lehrgeld bezahlt.
VON HEINZ GIRSCHWEILER
Am Anfang stand die Arbeitslosigkeit. Nach seiner Lehre als Eisenwarenverkäufer und der Rekrutenschule stand der Horgner Jürg Soldan 1974 - zu Beginn der damaligen Rezession - als Arbeitsloser auf der Strasse. Der junge Mann hatte genügend Zeit, einen Grossanlass im Jugend- und Freizeithaus mitzuorganisieren. Ein Marronistand müsse her, befand das OK. Jürg Soldan kümmerte sich darum und briet zum erstenmal in seinem Leben Marroni. 600 Franken schauten als Reingewinn für seinen Wochenendeinsatz heraus. Genug, um Soldan zumindest temporär zum vollamtlichen Marroniverkäufer zu machen. Bald aber wurde der Notberuf zum Hobby, dem Jürg Soldan über zwei Jahrzehnte treu geblieben ist.
Marroni-Braten ist lustig
Heute verfügt Jürg Soldan in Horgen über vier gute Verkaufsplätze: vor dem Bahnhof, in der Einkaufspassage, bei der Fähre und an schönen Winterwochenenden beim Bergweiher. Er beschäftigt auch Aushilfen. Was fasziniert den heute als Finanzberater tätigen Jürg Soldan an seinem Hobby? "Marronibraten ist lustig, ein sinnlicher Ausgleich zur Kopfarbeit unter der Woche", findet er. Der Kontakt mit den Leuten, die Tätigkeit im Freien gehören mit dazu. Eine Soldansche Spezialität sind seine Vermietungen. Für einen Pauschalpreis brät er an Firmenfesten, Hochzeiten oder Taufen für die Gäste Gratismarroni. Eine Dienstleistung, die immer wieder gefragt ist.
Ist Marronibraten schwierig? Jürg Soldan lacht: "Nein, das ist es nicht. In zwei Stunden zeige ich Ihnen, wie das geht." Die Schwierigkeiten lauern anderswo. Zunächst einmal geht es darum, Marroni in guter Qualität zu bekommen. Das sei gar nicht einfach, sagt Soldan. Als Anfänger habe man auf dem Markt keine Chance, an Spitzenqualität heranzukommen. "Der Marronihandel ist bis heute kriegswirtschaftlich geprägt", klärt Jürg Soldan auf.
Im Zweiten Weltkrieg hätten italienische Emigranten hierzulande mit dem Marronibraten begonnen. Ihre Tätigkeit wurde streng reglementiert. Weil sich alle Beteiligten daran gewöhnt hätten, sei dies bis heute weitgehend so geblieben. Nach wie vor muss jeder Marronibrater einen Produzenten, einen Importeur und einen Händler nachweisen.
In der Käufer-Hierarchie aufgestiegen
So kauft Jürg Soldan seine Marroni seit 21 Jahren beim gleichen Händler auf dem Zürcher Engrosmarkt. Mit wachsender Erfahrung ist er in der Marronikäufer-Hierarchie immer höher gestiegen. Heute kauft er die beste von rund 25 Marroniqualitäten ein. 7.80 Fr. kostet ihn dabei das Kilo. Andere kaufen Marroni oder Edelkastanien zum halben Preis ein. Entsprechend teuer verkauft Soldan seine Marroni. Die 2.80 Fr. für 100 Gramm sind in der Region ein Spitzenpreis. Eine goldene Nase verdient er sich mit seinem Wochendjob gleichwohl nicht.
Die Einnahmen pro Kilo roher Marroni betragen 13 bis 17 Franken. Dies, weil wurmstichige Nüsse ausgeschieden werden müssen und vor allem, weil die Marroni beim Braten gewichtsmässig stark schwinden. "Eine hohe Käuferfrequenz" sei deshalb das A und O für einen Marronibrater, sagt Jürg Soldan. Entsprechend wichtig sei es, Bewilligungen für gute Standplätze zu ergattern. Ebenfalls aus diesem Grund stellt Soldan seine Stände nur am Wochenende auf. Bei guten Standplätzen mit städtischer Passantenfrequenz sähe dies anders aus.
Ein schlechtes Jahr
Jürg Soldans Marroni-Saison 1995/96 fällt mager aus. "Höchstens noch zwei Wochenenden liegen jetzt drin", sagt Jürg Soldan, "dann wird es zu frühlingshaft sein für das Marronigeschäft". Auch sind die Marroni auf dem Markt knapp, weil deutsche Importeure wegen des Eisenbahnerstreiks in Frankreich im Frühwinter auf Lieferanten in Italien auswichen. Dort versorgen sich auch die Schweizer Händler.
Vor allem aber spielte das Wetter dem Horgner Marroniverkäufer Streiche. Er sei auf Ausflügler angewiesen. An manchem Wochenende seien sie vom schlechten Wetter abgehalten worden. "Wenn ich in dieser Saison 3800 Kilogramm Marroni brate, muss ich zufrieden sein", lautet die vorläufige Bilanz Soldans. In einem Spitzenjahr hat er schon sieben Tonnen verarbeitet.
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